Muskulöse Männerakte der Länge nach dahingestreckt oder die Haltung des "Gekreuzigten" einnehmend, Frauen in erotisch reizvollen Positionen ihre entblößte Scham zur Schau stellend, impressionistisch flimmernde Baumalleen, atmosphärisch dichte Landschaften des Norddeutschen Tieflandes, Stillleben, meisterlich kreierte Sahnetorten und Tortenstücke, lockere Gruppierungen junger Frauen, sommerliche Bootsausflüge von Vater und Sohn, markante Physiognomien berühmter Persönlichkeiten, Selbstbildnisse, Momentaufnahmen des Galopprennsports, Tank- und Frachtschiffe auf dem Rhein, Flugzeugträger mit Militärflugzeugen aus dem Zweiten Weltkrieg, Düsenflugzeuge auf dem Düsseldorfer Flughafen …
Das Werk von Heinz Delabar zeichnet sich durch eine thematische Vielfalt aus, die in der Anwendung verschiedener Techniken und Materialien sowie stilistisch differenzierter Formulierungen noch unterstrichen wird. Papier, Hartfaser, Holz, Acryl, Kunststoff, Metall und Leinwand dienen ihm als Bildträger, auf denen er mit Stift, Nadel, Feder, Rapidografen, Pinsel und Spachtel in Grafit, Kohle, Tusche, Öl, Leinöl, Lack und Terpentin die Kompositionen entstehen lässt.
Zu Beginn der künstlerischen Entwicklung des 1953 im nordrhein-westfälischen Rheydt geborenen und in den 1980er Jahren an der Aachener Hochschule studierenden Delabars lag der Schwerpunkt auf dem grafischen Gebiet mit der typischen Konzentration auf Schwarz und Weiß und den dazwischen liegenden Grauvaleurs sowie der charakteristischen Gestaltungsweise mit Linien und differenzierten Strichschraffuren. Der Mensch und die Landschaft standen im Mittelpunkt des Werkes, wobei es ihm bei den Figurenkompositionen vor allem um die Wiedergabe menschlicher Extremzustände und seelischer Abgründe ging. Delabar arbeitete entweder direkt vor dem Model und in der Natur oder nach fotografischen Vorlagen, die er meist selbst angefertigt hatte. Ein einmal gefundenes Sujet griff er dabei immer wieder auf und variierte es in der kompositionellen Anordnung, der Farb- und Formgebung, der Technik und Bildgröße. Auf diese Weise entstanden Serien, die einerseits die vielfältigen Facetten eines Motivs offen legen und andererseits in ihrer Gesamtheit eine umfassende Vorstellung des jeweiligen Sujets vermitteln - ein Charakteristikum, das bis heute für Delabars Kunstschaffen kennzeichnend geblieben ist.
Die zunehmend mehr in naturalistische Essenzen verwandelten Impressionen begann Delabar Ende der 90er Jahre auch in die pastose Malerei zu übertragen. Wie die zeichnerischen und druckgrafischen Blätter bestechen auch diese durch ihre formalen, stofflichen und gestischen Qualitäten. Mit geradezu spürbarer Leichtigkeit gestaltete der Künstler im Neben- und Übereinandersetzen der Farbe die eingangs angeführten Sujets. Zuweilen erhalten die bildnerischen Mittel eine suggestive Kraft, die das eigentliche Motiv verblassen lässt. Das 160 x 240 cm große Gemälde "Flugzeugträger" aus dem Jahr 2006 stellt eine solche Arbeit dar. In einem Meer von expressionistisch bewegten Linien, Strichen und Tupfen in schwarz und schwarz getrübten Farben, deren Dunkelheit durch weiße und weiß gedämpfte Lichtreflexe noch gesteigert wird, erkennt der Betrachter erst nach und nach sechs Flugzeuge, deren vorderstes stark angeschnitten in Aufsicht, die übrigen in Untersicht gegeben sind. Die drei Personen, die zwischen den neben- und hintereinander gestaffelten Maschinen stehen, werden erst in der naturalistischen Fassung, die Delabar ein Jahr später nach der historischen Vorlage malte, erkennbar. Auf dem lang gestreckten Querformat von 100 x 200 cm Größe entfaltet sich die Szenerie in einer noch größeren Nahsicht. Die durchgängige Aufsicht auf das Geschehen lässt an die Stelle des Himmels die Wasseroberfläche treten. Die gegensätzliche Darstellungsweise der beiden Werke macht die stilistische Spannweite im œuvre Delabars deutlich. Noch eine dritte Version entstand 2007. Diese greift mit drei Flugzeugen lediglich einen Teil der Vorlage auf, rückt diesen aber dafür noch näher an den Betrachter heran. Die Maschinen, Figuren und der Himmelsausschnitt sind von einem Malduktus gekennzeichnet, dessen gestische Kraft die stürmische Expressivität mit dem ruhigen Naturalismus der vorausgegangenen Fassungen verbindet.
Thematisch verwandt mit der Serie der "Flugzeugträger" ist die Reihe des "Düsseldorfer Flughafens". Den Mittelpunkt der Kompositionen bildet jeweils eine Boeing vom Typ 717 auf dem Weg zur Startbahn. Auch diese Arbeiten variieren in der stilistischen Ausführung, der unterschiedlichen Distanz zum Motiv und der Farbgebung.
Ein Sujet, bei dem sich Delabars Malerei der gesamten Farbskala bedient, stellen die Tortenbilder dar. Von der Erdbeersahne und Schokoladen-Himbeerschnitte über die Schwarzwälder Kirsch, die Johannisbeer- und Traubentorte bis hin zu den zylindrisch aufragenden Festtagskreationen erstreckt sich die Palette der süßen Köstlichkeiten. Lässig notierte Farbstriche und -tupfen formieren sich zu Biskuit-, Sahne- und Cremeschichten, die übereinander gelegt von Sahnehäubchen, Früchten, Pistazienkernen und Schokoladeraspeln verziert sind. Die einzelnen Elemente wirken aus der Distanz naturgetreu, beim Näherkommen verlieren sie jedoch an naturalistischer Prägnanz und lösen sich in scheinbar willkürlich bewegte Farbstriche auf. Nicht nur aus diesem Grund betrachtet man die fantasievollen Schöpfungen bevorzugt aus einer gewissen Entfernung, sondern auch wegen der außergewöhnlichen Nahsicht, mit der sie präsentiert werden. Diese verleiht zugleich dem banalen Sujet eine monumentale Wirkung, die nicht selten noch durch ein überdimensioniertes Format betont wird. So kann ein seitlich beschnittenes Tortenstück gleich einem Bergmassiv vor dem Betrachter aufragen. Die mit Fruchtkernchen durchzogenen Sahneschichten befinden sich dann auf Augenhöhe, während das mit Früchten drapierte Sahnehäubchen in starker Untersicht dargeboten ist. Die pastos aufgetragenen Farben verleihen den Tortenbildern durch ihre reliefartigen Strukturen grundsätzlich einen ausgesprochen haptischen Charakter.
Noch zwei weitere Themenreihen beeindrucken mit ihrer formalen und farblichen Ausdruckskraft: die vielteilige Serie der "Selbstbildnisse" sowie die dreiteilige Reihe der "Derbys".
Die Selbstporträts, die den Künstler mit markanter Nase, vollen Lippen und schulterlangen Haaren zeigen, sind entweder auf Leinwand im Format von 24 x 30 cm oder auf Holz im Format von 60 x 80 cm ausgeführt. Unter den kleinformatigen Werken besticht ein naturalistisch gemaltes Porträt aus dem Jahr 2005, das Einblicke in die Künstlerseele gewährt. Delabars linkes Auge ist von den ins Gesicht fallenden Haaren nahezu verdeckt. Das rechte dagegen starrt kritisch geradeaus und offenbart gerade dadurch einen äußerst wachsamen Blick sowohl auf die inneren als auch die äußeren Gegebenheiten. Nur wenige Porträts sind von ähnlichen psychologischen Momenten durchdrungen. Zu ihnen zählt auch das Totenkopf ähnliche Selbstbildnis, in dem sich Delabars Bewusstheit um die Vergänglichkeit manifestiert. Die Mehrzahl der Bildnisse wird von einem expressiven gestischen Duktus geprägt, der nach eigenen Farbgesetzen die Gesichtszüge plastisch hervortreten lässt. Dem wechselvollen Spiel von Licht und Schatten fällt dabei eine besondere Rolle zu.
Die Reihe der "Derbys" aus dem Jahr 2006 hält verschiedene Momente eines Galopprennens fest. Das erste der drei jeweils 160 x 200 cm grossen Werke zeigt drei Rennpferde beim Endspurt auf der Zielgeraden, was vor allem durch die aufgerichtete Haltung des vorderen Jockeys ersichtlich ist. Während die beiden rechten Pferde formal und farblich miteinander verschmolzen sind, hat sich das linke, auf mittlere Höhe sich befindende von der Gruppe gelöst. Die differenzierten Rot-, Gelb- und Grüntöne, die die Kleidung der Jockeys akzentuieren, wiederholen sich - um Ocker und Olive angereichert - in den schwarzbraunen Pferdeleibern. Die Gruppe hebt sich nicht nur farblich von der mit Gelb, Grün, Blau und Grau gestalteten Landschaft ab, sondern auch technisch durch ihre pastose Darbietung, die mit dem flächigen Hintergrund kontrastiert. Die gleiche Situation einen Augenblick später gibt die zweite Fassung wieder. Die Positionen der Pferde, deren Vorder- und Hinterläufe vom unteren Rand stark angeschnitten sind, vermitteln weniger ein Hinter- als ein Nebeneinander. Die gelben, orangeroten und blauen Töne, die die Reiter charakterisieren, finden in den Pferden ein auffallend starkes Echo. Der ehemalige Landschaftsstreifen mit dem weiten Himmel ist einer durchgängigen Graufolie mit verschiedenen Schattierungen gewichen. Dieser nur noch atmosphärisch belebte Raum verwandelt sich im letzten Werk der Reihe in eine abstrakte Fläche, die der Komposition ein befremdendes Moment zuführt. Die Protagonisten, eine Gruppe von fünf Reitern, agieren quasi in einem luftleeren Raum. Durch den expressiven Farbduktus, der zu bildnerischer Eigenständigkeit drängt, wird die Identifikation von Tier und Mensch erschwert.
Die Negierung des landschaftlichen Kontextes in "Derby III" bewirkt einen thematischen Bruch in der Darstellung. Delabar spielt in seinem œuvre auf vielfältige Weise mit dem Kunstgriff der Verfremdung. Bei der 200 x 260 cm grossen Leinwand "It's a man's world" - eines der wenigen Werke, die nicht Teil einer Serie sind - löst die Kombination von naturalistisch gemalten Personen und Zeichentrickfiguren aus der Welt Walt Disneys das befremdende Moment aus. Der stilistische und inhaltliche Bruch führt zu Irritationen beim Betrachter, die nur mit der Interpretation des Werkes, das die Klischeevorstellungen des zur Witzfigur degradierten Mannes von der Frau personifiziert, überwunden werden können. Eine andere Art der Verfremdung entsteht, wenn Delabar fertige Arbeiten - wie zum Schutz - mit einem Firnis aus Leinöl, Lack und Terpentin überzieht. Die transparente Schicht verändert nach einiger Zeit nachhaltig die ursprüngliche Impression. Die glänzende, zum Teil reliefartig strukturierte Oberfläche verstärkt nicht nur die Tiefenräumlichkeit der Darstellung, sondern verleiht dieser zuweilen auch einen homogenen dunkelbraunen Farbklang.
Die formale, farbliche und technische Souveränität, mit der Heinz Delabar seine künstlerischen Vorstellungen bildnerisch umsetzt, ist das Resultat eines sehr langen und konsequenten Entwicklungsprozesses. Wie bei jedem œuvre vermeint man auch beim vorliegenden Werk Anklänge an bestimmte Stilrichtungen und Künstlerpersönlichkeiten zu erkennen. Die impressionistische und naturalistische Strichführung lässt an bildnerische Formulierungen der deutschen Impressionisten Liebermann, Corinth und Slevogt denken. Vor allem Corinths Werk, dem Delabar unverhohlen große Bewunderung entgegenbringt, mag ihn zu der Komposition des "Gekreuzigten" angeregt haben, bei der der eindringliche Körpergestus das Motiv des Kreuzes verdrängt. Vergleicht man jedoch die Arbeiten der beiden Künstler miteinander, weist die Freizügigkeit und die abstrahierende Wildheit Delabars zweifellos in eine jüngere Zeit. Gelegentlich, wenn die fleischliche Expressivität dominiert, wird man auch an Werke von Lucian Freud erinnert, oder wenn ein banaler Gegenstand wie ein Tortenstück monumentale Wirkung erfährt, an Arbeiten von Dieter Krieg. Die jüngst in Kohle geschaffenen lebensgrossen Männerakte lassen sogar an Michelangelos kraftvolle Jünglingsakte in der Sixtinischen Kapelle denken. Dass solche Ähnlichkeiten jedoch nur äußerlicher Natur sind, belegt Delabar selbst durch seine eindrucksvolle stringente Entwicklung.
Text: Fr. Dr. Katja Förster - Rohentwurf : Marcus Steffen - Bilder: Marcus Steffen / 2008
Quellenangabe: Galerie Goldesel, 2008